Auktion: 525 / Evening Sale am 10.12.2021 in München Lot 252

 

252
Max Beckmann
Majong und Chilly (Hunde), 1930.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 500.000

(inklusive Aufgeld)
Majong und Chilly (Hunde). 1930.
Öl auf Leinwand.
Göpel 331. Links unten signiert und datiert bzw. bezeichnet "P. 30". 49,8 x 61,3 cm (19,6 x 24,1 in).
Das Werk ist auf der handschriftlichen Bilderliste des Künstlers von 1930 mit dem Titel "Hunde" verzeichnet, mit dem Vermerk "Beendet 24. September. Neumann, New York". [CH].
• Das Gemälde entsteht während Beckmanns Aufenthalt im Paris der damaligen Avantgarde.
• Das Zitat einer Tageszeitung verleiht dem Werk eine zeitliche Aktualität und vermittelt darin einen Bezug zur französischen Stilllebenmalerei von Picasso oder Braque.
• Mit dem Zitat der Zeitung "L'Intransigeant" nimmt Beckmann politisch Stellung.
• Die rothaarige Pekinesen-Hündin Majong und die schwarz-weiße Japan-Chin-Hündin Chilly spielen eine besondere Rolle im Alltag der Beckmanns.
• Aufgrund der außerordentlich persönlichen Bedeutung befindet sich das Gemälde bis zu Beckmanns Tod im Jahre 1950 im Besitz des Künstlers.
• Im Entstehungsjahr ist Beckmann mit einigen Gemälden auf der 17. Biennale in Venedig vertreten
.

Das Gemälde ist im aktuellen Online-Werkverzeichnis, herausgegeben von der Kaldewei Kulturstiftung unter der redaktionellen Verantwortung von Frau Dr. Anja Tiedemann unter www.beckmann-gemaelde.org/331-hunde verzeichnet.

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers (1950).
Sammlung Mathilde Q. Beckmann (1950 durch Erbschaft vom Künstler).
New Art Circle I. B. Neumann, New York.
Catherine Viviano Gallery, New York (mindestens ab 1957, vermutlich in Kommission).
Serge Sabarsky Gallery, New York.
Privatsammlung New York (bis 1999, Villa Grisebach Auktionen, Berlin, 4.6.1999, Los 63).
Galerie Pels-Leusden, Zürich.
Privatsammlung Schweiz.

AUSSTELLUNG: Sommergäste III., Galerie Pels-Leusden, Kampen/Sylt, 9.7.-8.10.2000, Kat.-Nr. 5.
Ich kann wirklich ganz gut malen. Friedrich August von Kaulbach - Max Beckmann, Schlossmuseum Murnau, 22.3.-23.6.2002, Kat.-Nr. 37 (mit Farbabb.).
Max Beckmann, Caratsch de Pury & Luxembourg, Zürich, 25.3.-21.5.2004.
Lonely prophets. German art from 1910-1930, Agnew's Gallery, London, 3.10.-16.11.2007 (mit Abb.).
Max Beckmann. Gemälde, Papierarbeiten, Graphiken, Galerie Thomas, München, 13.9.-21.12.2013 (mit Abb.).

LITERATUR: Barbara Göpel und Eberhard Göpel (Hrsg. Hans Martin von Erffa), Max Beckmann. Katalog der Gemälde (Katalog und Dokumentation), Bd. I, Kat.-Nr. 331, S. 235 (mit Abb., Tafel 114).
Carla Schulz-Hoffmann, Max Beckmann. Der Maler, München 1991.
Stephan von Wiese, Max Beckmann Briefe (1925-1937), Bd. II, München/Zürich 1994, Nr. 523, 9. Juni 1930, S. 159, 523.
Villa Grisebach Auktionen, Berlin, 71. Auktion, Selected Works, 4.6.1999, Los 63 (mit Farbabb.).

Es sind drei Hocker, die zu einem Ensemble zusammengestellt sind, dicht an einer Wand mit sichtbarer Fußleiste im Profil eines gediegenen Altbaus. Unter dem roten Kissen, auf dem Majong schläft, liegt halb verdeckt und dennoch auffällig ein Stück Zeitung, deren Buchstaben wohl zu dem Titel der Pariser Boulevard-Zeitung "L'Intransigeant" zu ergänzen sind, wie der Biograf des Künstlers und Ersteller des ersten Werkverzeichnisses, Erhard Göpel, bemerkt (WVZ Gordon 331). Diese Zusammenstellung erscheint trotz aller Zufälligkeit wie ein typisches Arrangement von Beckmann, das er in seinen zahlreichen Stillleben inszeniert mit – nicht nur – leblosen Gegenständen, die in seiner Wohnung zu finden sind: ein Tongefäß aus Peru, eine Vase aus Dänemark, ein Steigbügelgefäß mit Schlangenmotiv, ein Zeremonialgefäß aus Kamerun und vieles mehr, mit Blumen oder Instrumenten ergänzt und in Szene gesetzt. Nicht zuletzt verleiht die Tageszeitung hier, auch wenn Beckmann das Datum verschweigt, dem Werk eine zeitliche Aktualität und vermittelt darin zudem den Bezug zur französischen Stilllebenmalerei eines Picasso oder Braque. Mit anderen Künstlern wie Juan Gris sind sie die Ersten, die Tageszeitungen, Schriftzüge und Texte in die kubistische Stilllebenmalerei integrieren.
Es handelt sich aber hier nicht um eine gewöhnliche französische Tageszeitung, sondern um ein geschichtsträchtiges Boulevard-Blatt, das sich politisch deutlich positioniert. 1880 in Paris gegründet, orientiert sich die Zeitung am Boulangismus, benannt nach dem Offizier Georges Boulanger, den seine Anhänger "General Revanche" nennen und dessen Populismus zum Wegbereiter der neuen Rechten wird. 1898 bestimmt die Zeitung die antisemitische Hetze gegen Alfred Dreyfus – und nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt sich das Blatt zu der auflagenstärksten konservativen Tageszeitung in Frankreich.
Welche Aufmerksamkeit schenkt Max Beckmann nun dieser Zeitung, die er beiläufig zitiert und einen seiner Hunde darauf Platz nehmen lässt? Etwa zur selben Zeit, als Beckmann sich im Sommer 1930 in Paris aufhält und sich unter anderem auch mit diesem Gemälde beschäftigt, beginnt im Land Thüringen die erste Regierungsbeteiligung der NSDAP. Was die Künstler im Falle einer Machtübernahme im Deutschen Reich zu erwarten hätten, wird deutlich, als die Nationalsozialisten das von Oskar Schlemmer ausgemalte Treppenhaus im Bauhaus-Gebäude umgehend übermalen lassen. Der in Frankfurt unterrichtende und in Paris lebende Max Beckmann zeigt auf der von April bis Oktober andauernden Biennale in Venedig 1930 das großformatige Gemälde "Der Strand" von 1927, das von der konservativen Presse Italiens als höchst anstößig kritisiert wird und deshalb auch die Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten erregt. An seinen Kunsthändler Günther Franke schreibt Beckmann am 23. Oktober 1930: "Vergessen Sie nicht, wenn Sie dazu Gelegenheit haben, den Nazis beizubringen, daß ich ein deutscher Maler bin. Mittwoch stand im Völkischen Beobachter bereits ein Angriff gegen mich. Vergessen Sie das nicht. - Es kann einmal wichtig werden." (Max Beckmann, Briefe 1925-1937, München 1994, S. 178). Beckmann fühlt sich der von Tageszeitungen ausgehenden politischen Gefahr persönlich ausgesetzt und reagiert hier versteckt, aber sehr deutlich auf das französische Pendant. Beckmann verbindet mit dem Stillleben "Hunde" eine politische Botschaft.

Ab Mitte der 1920er Jahre reist Max Beckmann des Öfteren in die französische Hauptstadt. Paris und die Malerei der dortigen Avantgarde rücken in den Mittelpunkt seines Interesses. Er knüpft Kontakte zu Kritikern und Galeristen und versucht, seine Karriere auch in Frankreich zu platzieren. Und so spiegeln sich die Aufenthalte auch in Max Beckmanns Bildern der späten zwanziger und der dreißiger Jahre wider. 1929 lässt er sich in Paris nieder, hat sein Atelier zunächst im Boulevard Brune im 14. Arrondissement und ab 1930 in der rue des Marronniers im 16. Arrondissement. Er entscheidet, die Monate September bis Mai in Paris zu verbringen und für Korrekturen seiner Schüler an der Städelschule nach Frankfurt zu reisen. Seine vielfältigen Bemühungen um Anerkennung in Frankreich gipfeln schließlich 1931 in einer großen Ausstellung in der Galerie de la Renaissance.

Das Gemälde mit den zwei Hunden beginnt Beckmann vor Juni 1930. In einem Brief an seinen Galeristen Günther Franke in München bestätigt der leicht gestresste Künstler die Eilfracht von 11 Bildern für eine kurz anberaumte Ausstellung der Galerie, darunter auch die "Hunde" (Max Beckmann, Briefe 1925-1937, München 1994, S. 159). Im Kommentar zu den Briefen bemerken die Herausgeber allerdings, das Bild sei nicht mitgeschickt worden; es war noch nicht vollendet. Dies bestätigt Beckmann selbst in seiner Werkliste: "Paris 1930: Hunde. Beendet 24. September." Er behält das Bild mit den ständigen Begleitern; nach dem Tod des Künstlers 1950 in New York übergibt Mathilde "Quappi" Beckmann unter anderem auch dieses Werk an dessen dortigen Kunsthändler J. B. Neumann.
Gemälde dieser Art sind im Werk des Künstlers eher selten. Es ist ein Interieur, in dem zwei Hunde im Mittelpunkt stehen. Sie scheinen dem Künstler sehr nahe, er malt sie schlafend, die Hunde fühlen sich nicht beobachtet. Tiere an und für sich beleben Beckmanns Bilder, und relativ oft sind es Fische; sie sind dann allerdings mythologisch aufgeladen und stehen für eine Metapher. Mathilde Q. Beckmann schildert in ihrem Buch über ihr Leben mit Max Beckmann auch dessen Verhältnis zu Tieren: "[…] er liebte Tiere, wenn auch nicht alle, und er schien sie zu verstehen. Als ich ihn kennenlernte, mochte er Katzen sehr gern, besonders den Kater seiner Freunde Fridel und Ugi Battenberg. Damals war er von Katzen fasziniert, in späteren Jahren waren es eher Hunde. Ich besaß einen kleinen japanischen Spaniel mit Namen Chilly, den Henriette von Motesiczky mir in Wien vor meiner Hochzeit geschenkt hatte; Max liebte den kleinen Hund bald so sehr wie ich. Wenige Jahre nach unserer Heirat schenkte er mir ein kleines Pekinesenweibchen, das wir Majong nannten. Als wir 1937 nach Amsterdam flüchteten, konnten wir die kleinen Viecher nicht mitnehmen und ließen sie in Berlin bei Herrn und Frau Ruppelt, unseren Hausmeistersleuten. Sie sorgten einige Monate lang für sie, bis eine unerwartete Gelegenheit es Curt Valentin und Karl Buchholz möglich machte, uns Majong per Flugzeug nach Amsterdam zu bringen. Leider konnte uns Chilly, der kleine Spaniel, nicht auch gebracht werden; Chilly war alt und blind und hätte sich in der seltsamen Umgebung, in der wir damals lebten, nicht zurechtfinden können." (München 1987, S. 117)

Die rothaarige Pekinesen-Hündin Majong links und die schwarz-weiße Japan-Chin-Hündin Chilly rechts liegen ganz entspannt auf einem Hocker mit Korbgeflecht respektive auf dem Boden auf farbigen Kissen. In starker Aufsicht liegen sie auf den Hockern wie tierische Figuren, die im Alltag des Künstlers und dessen Frau Quappi eine sehr persönliche, ja menschliche Rolle spielen und hier wohlig behütet ruhen. Jahre später in Amsterdam, Majong ist gestorben, wird die Pekinesen-Hündin Butschy die Bilderwelt des Künstlers bereichern und die Beckmanns auch in die Neue Welt begleiten. [MvL]



252
Max Beckmann
Majong und Chilly (Hunde), 1930.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 500.000

(inklusive Aufgeld)