395
Erich Heckel
Amaryllis, 1927.
Öl auf rot gestreifter Leinwand
Schätzung:
€ 100.000 Ergebnis:
€ 292.100 (inklusive Aufgeld)
Amaryllis. 1927.
Öl auf rot gestreifter Leinwand.
Hüneke 1927-23. Vogt 1927/21. Rechts unten monogrammiert und datiert. Verso auf der Leinwand signiert und datiert. Auf dem Keilrahmen abermals signiert, datiert und betitelt. 71 x 60,5 cm (27,9 x 23,8 in). [CH].
• Die Provenienz des Gemäldes ist Abbild der bewegten deutschen Geschichte.
• Bereits in den 1920er Jahren in Museumsbesitz.
• Noch zu Lebzeiten des Künstlers mehrfach ausgestellt und publiziert.
• Mit der besonders farbintensiven Verbindung aus klassischem Blumenstillleben und figurativem Wandgemälde im Hintergrund präsentiert sich Heckel als Meister seines Faches.
• Das Gemälde entsteht 1927 in Siddi und Erich Heckels Ferienhaus an der Flensburger Förde, das das Ehepaar 1919 mitsamt der dazugehörigen kleinen Landwirtschaft erwirbt; hier arbeitet Heckel auch an dem im Bild-Hintergrund gezeigten Wandbehang.
• Vergleichbare Blumenstillleben des Künstlers befinden sich u. a. in der Hamburger Kunsthalle und im Hessischen Landesmuseum, Darmstadt (einige weitere Stillleben dieser Zeit zerstört, siehe Hüneke).
PROVENIENZ: Galerie Ferdinand Möller, Berlin.
Museum Behnhaus, Lübeck (1929 wohl vom Vorgenannten erworben, Inv.-Nr. 1929 185).
Staatsbesitz (1937 im Zuge der Aktion "Entartete Kunst" vom Vorgenannten beschlagnahmt, EK-Nr. 14232).
Galerie Fischer, Luzern (vom Vorgenannten, 1939).
Kunsthändler Bernhard A. Böhmer (um 1939/40 durch Kauf vom Vorgenannten).
Sammlung Edgar Horstmann, Hamburg (wohl 1940 vom Vorgenannten erworben).
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (1978 erworben, mit dem Sammlerstempel, Lugt 6032).
AUSSTELLUNG: Eröffnungsausstellung, Galerie Ferdinand Möller, Berlin, Juli bis September 1927 (o. Kat.-Nr.).
Wegbereiter, Galerie Bock & Sohn, Hamburg, Mai 1946 (o. Kat.-Nr.).
Entartete Kunst. Bildersturm vor 25 Jahren, Haus der Kunst, München, 25.10.-16.12.1962, Kat.-Nr. 49.
Erich Heckel. Zur Vollendung des achten Lebensjahrzehnts, Museum Folkwang, Essen, 2.11.1963-5.1.1964, Kat.-Nr. 41.
Erich Heckel, Museum Folkwang, Essen, 18.9.-20.11.1983; Haus der Kunst, München, 10.12.1983-12.2.1984, Kat.-Nr. 70.
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).
LITERATUR: H. Böhlau, Erich Heckel, in: Die Kunst für alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 44.1928-1929, S. 93 (m. Abb.).
Ludwig Thormaehlen, Erich Heckel, Berlin 1931, S. 16 (m. Abb., Tafel 25).
Alfred Hentzen, Neu erworbene Gemälde im Kronprinzen-Palais, in: Museum der Gegenwart III, H. 4, 1933, S. 163f.
Galerie Fischer, Luzern, Auktion Gemälde und Plastiken moderner Meister aus deutschen Museen, 30.6.1939, Los 47, S. 30 (ohne Zuschlag).
Hans Platte, Erich Heckel, Baden-Baden 1964, Kat.-Nr. 7.
Paul Vogt, Erich Heckel, Recklinghausen 1965, Kat.-Nr. 1927-21, S. 83 (m. ganzs. Farbabb., S. 185 u. m. SW-Abb.).
Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck (Hrsg.), Ausst.-Kat. Bildersturm im Behnhaus (mit einer Dokumentation der 1937 beschlagnahmten Gemälde und Skulpturen), Museum Behnhaus, Lübeck 1987, Kat.-Nr. 9.
Stephanie Barron (Hrsg.), Degenerate Art. The Fate of the Avant-Garde in Nazi Germany, Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles 1991, S. 156.
Stephanie Barron (Hrsg.), Ausst.-Kat. Entartete Kunst. Das Schicksal der Avantgarde im Nazi-Deutschland, Deutsches Historisches Museum, Berlin 1992, S. 156.
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 320, SHG-Nr. 499 (m. ganzs. Abb., S. 321).
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 233, SHG-Nr. 522 (m. ganzs. Abb., S. 232).
Gesa Jeuthe, Die Moderne unter dem Hammer. Zur "Verwertung" der "entarteten" Kunst durch die Luzerner Galerie Fischer 1939, in: Uwe Fleckner (Hrsg.), Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kulturpolitik im Nationalsozialismus, Berlin 2007, S. 189-305, S. 273.
Andreas Hüneke, Erich Heckel. Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen, München 2017, Kat.-Nr. 1927-23, S. 163 (m. Farbabb., zusätzlich auch auf der Rückseite des Hardcovers).
www.geschkult.fu-berlin.de/e/db_entart_Kunst/datenbank (EK-Nr. 14232).
"Der gleiche Reichtum, den wir an den Landschaften empfinden, zeichnet auch die Blumendarstellungen aus, die in seinem Werk gegen Ende der zwanziger Jahre wieder häufiger vorkommen. Ein sehr bezeichnendes Beispiel dafür ist die "Amaryllis" von 1927, die als Hintergrund einen schwarz bemalten Nesselbehang aus dem Berliner Atelier zeigt."
Paul Vogt über das hier angebotene Gemälde, in: Paul Vogt, Erich Heckel, Recklinghausen 1965, S. 83.
Öl auf rot gestreifter Leinwand.
Hüneke 1927-23. Vogt 1927/21. Rechts unten monogrammiert und datiert. Verso auf der Leinwand signiert und datiert. Auf dem Keilrahmen abermals signiert, datiert und betitelt. 71 x 60,5 cm (27,9 x 23,8 in). [CH].
• Die Provenienz des Gemäldes ist Abbild der bewegten deutschen Geschichte.
• Bereits in den 1920er Jahren in Museumsbesitz.
• Noch zu Lebzeiten des Künstlers mehrfach ausgestellt und publiziert.
• Mit der besonders farbintensiven Verbindung aus klassischem Blumenstillleben und figurativem Wandgemälde im Hintergrund präsentiert sich Heckel als Meister seines Faches.
• Das Gemälde entsteht 1927 in Siddi und Erich Heckels Ferienhaus an der Flensburger Förde, das das Ehepaar 1919 mitsamt der dazugehörigen kleinen Landwirtschaft erwirbt; hier arbeitet Heckel auch an dem im Bild-Hintergrund gezeigten Wandbehang.
• Vergleichbare Blumenstillleben des Künstlers befinden sich u. a. in der Hamburger Kunsthalle und im Hessischen Landesmuseum, Darmstadt (einige weitere Stillleben dieser Zeit zerstört, siehe Hüneke).
PROVENIENZ: Galerie Ferdinand Möller, Berlin.
Museum Behnhaus, Lübeck (1929 wohl vom Vorgenannten erworben, Inv.-Nr. 1929 185).
Staatsbesitz (1937 im Zuge der Aktion "Entartete Kunst" vom Vorgenannten beschlagnahmt, EK-Nr. 14232).
Galerie Fischer, Luzern (vom Vorgenannten, 1939).
Kunsthändler Bernhard A. Böhmer (um 1939/40 durch Kauf vom Vorgenannten).
Sammlung Edgar Horstmann, Hamburg (wohl 1940 vom Vorgenannten erworben).
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (1978 erworben, mit dem Sammlerstempel, Lugt 6032).
AUSSTELLUNG: Eröffnungsausstellung, Galerie Ferdinand Möller, Berlin, Juli bis September 1927 (o. Kat.-Nr.).
Wegbereiter, Galerie Bock & Sohn, Hamburg, Mai 1946 (o. Kat.-Nr.).
Entartete Kunst. Bildersturm vor 25 Jahren, Haus der Kunst, München, 25.10.-16.12.1962, Kat.-Nr. 49.
Erich Heckel. Zur Vollendung des achten Lebensjahrzehnts, Museum Folkwang, Essen, 2.11.1963-5.1.1964, Kat.-Nr. 41.
Erich Heckel, Museum Folkwang, Essen, 18.9.-20.11.1983; Haus der Kunst, München, 10.12.1983-12.2.1984, Kat.-Nr. 70.
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).
LITERATUR: H. Böhlau, Erich Heckel, in: Die Kunst für alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 44.1928-1929, S. 93 (m. Abb.).
Ludwig Thormaehlen, Erich Heckel, Berlin 1931, S. 16 (m. Abb., Tafel 25).
Alfred Hentzen, Neu erworbene Gemälde im Kronprinzen-Palais, in: Museum der Gegenwart III, H. 4, 1933, S. 163f.
Galerie Fischer, Luzern, Auktion Gemälde und Plastiken moderner Meister aus deutschen Museen, 30.6.1939, Los 47, S. 30 (ohne Zuschlag).
Hans Platte, Erich Heckel, Baden-Baden 1964, Kat.-Nr. 7.
Paul Vogt, Erich Heckel, Recklinghausen 1965, Kat.-Nr. 1927-21, S. 83 (m. ganzs. Farbabb., S. 185 u. m. SW-Abb.).
Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck (Hrsg.), Ausst.-Kat. Bildersturm im Behnhaus (mit einer Dokumentation der 1937 beschlagnahmten Gemälde und Skulpturen), Museum Behnhaus, Lübeck 1987, Kat.-Nr. 9.
Stephanie Barron (Hrsg.), Degenerate Art. The Fate of the Avant-Garde in Nazi Germany, Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles 1991, S. 156.
Stephanie Barron (Hrsg.), Ausst.-Kat. Entartete Kunst. Das Schicksal der Avantgarde im Nazi-Deutschland, Deutsches Historisches Museum, Berlin 1992, S. 156.
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 320, SHG-Nr. 499 (m. ganzs. Abb., S. 321).
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 233, SHG-Nr. 522 (m. ganzs. Abb., S. 232).
Gesa Jeuthe, Die Moderne unter dem Hammer. Zur "Verwertung" der "entarteten" Kunst durch die Luzerner Galerie Fischer 1939, in: Uwe Fleckner (Hrsg.), Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kulturpolitik im Nationalsozialismus, Berlin 2007, S. 189-305, S. 273.
Andreas Hüneke, Erich Heckel. Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen, München 2017, Kat.-Nr. 1927-23, S. 163 (m. Farbabb., zusätzlich auch auf der Rückseite des Hardcovers).
www.geschkult.fu-berlin.de/e/db_entart_Kunst/datenbank (EK-Nr. 14232).
"Der gleiche Reichtum, den wir an den Landschaften empfinden, zeichnet auch die Blumendarstellungen aus, die in seinem Werk gegen Ende der zwanziger Jahre wieder häufiger vorkommen. Ein sehr bezeichnendes Beispiel dafür ist die "Amaryllis" von 1927, die als Hintergrund einen schwarz bemalten Nesselbehang aus dem Berliner Atelier zeigt."
Paul Vogt über das hier angebotene Gemälde, in: Paul Vogt, Erich Heckel, Recklinghausen 1965, S. 83.
Die Blüte der Amaryllis so prominent ins Format zu setzen wirkt zunächst ungewöhnlich auch für Erich Heckel. Die Blütenschäfte sind von Statur her kräftig; mit den bis zu vier leicht hängenden Trichterblüten gehört die in Südafrika beheimatete Zwiebelblume zu den beliebten Zimmerpflanzen, die in den Wintermonaten in den fahlen Räumen auch auf Grund ihrer Größe prächtige Farbakzente setzt.
Stillleben-Malerei ist eine der Bildgattungen, die nicht nur Heckel, sondern auch der Kreis der "Brücke"-Künstler als besondere Übung pflegt. Nicht nur das Arrangement entscheidet über die Wirkung, sondern auch die Objekte, die in memoriam der niederländischen Schilderkunst ehedem besondere Begegnungen erfahren. Mit diesem Stillleben malt Heckel eine Hommage an die Amaryllis, stellt sie besonders heraus und verzichtet bis auf die Andeutung des Ambientes auf weitere Ausstattung.
Zurück aus Flandern erwirbt Heckel einen Kotten in Osterholz und beginnt in der Abgeschiedenheit, sich neu zu orientieren, die neuen gesellschaftlichen Werte auf sich wirken zu lassen. Im neuen Domizil richtet sich der Künstler im Dachstuhl ein Atelier ein und malt es aus, besinnt sich zurück auf die Tradition der "Brücke"-Maler, die ihre Räumlichkeiten mit selbst geschaffenen Dekorationen ausgestaltet hatten.
Und so beginnt Heckel auch mit dem Erwerb 1919, die Motive seiner (Blumen-)Stillleben wie vor dem Ersten Weltkrieg zur "Brücke"-Zeit mit Beiwerk, wie eigene Skulpturen oder andere Objekte, zu bereichern. In diesem Fall, 1927, stellt Heckel die Vase mit der vollen Blüte auf einen Tisch in seinem Atelier, der ebenfalls bemalt zu sein scheint. Der Raum wirkt nicht tief, der Hintergrund mit den Wandmalereien mit Ornamenten und einem liegenden Mann mit Schnurrbart im Umriss ist stark an den Tisch gerückt. Dieses Motiv begegnet uns bereits in dem ersten Selbstporträt 1919 (Abb.), in dessen Hintergrund die Szenerie, die auch den Hintergrund für das Stillleben hergibt, zum ersten Mal bildhaft Erwähnung findet.
Auf magische Weise von rechts eingeblendet, zieht der schnurrbärtige Kopf den Blick sogleich auf sich und beginnt damit ein Eigenleben zu führen. Mit subtilen Mitteln unterstreicht Heckel mit der Figur eine immanente Dynamik, die so gar nichts mit den opulenten Blumentrichtern zu tun hat, aber über den melancholischen Blick der Figur in den Raum das Besondere an diesem Stillleben betont. Heckel versteht es, die Dynamik der Figur durch die Anordnung und Bewegung der Blütenköpfe aufzunehmen. Der von Heckel inszenierte Blick nach links in eine Zimmerecke, verschiedene rotgefärbte Flächen und Ebenen sind in die Raumtiefe gestaffelt, durch die Perspektive sind deutliche Bewegungsakzente gesetzt; das auf die Wand gemalte Ornament mit dem auf die Wand gemalten bärtigen Kopf unterstützt gleichsam die Wirkung: Die Blüten der Amaryllis werden auf geheimnisvolle Weise lebendig in einem sonst so ruhigen, unaufgeregt dekorierten Raum.
Die Geschichte des Stilllebens mit Amaryllis ist beeindruckend wie bewegend. Bereits im Jahr seiner Entstehung zeigt die Galerie von Ferdinand Möller das Gemälde in der Eröffnungsausstellung der neuen Räume am Schöneberger Ufer 38 in Berlin. 1929 erwirbt Carl Georg Heise, der Moderne zugewandter Direktor am Museum Behnhaus und Freund des Künstlers, das Werk für sein Museum in Lübeck. Keine zehn Jahre später wird das Stillleben im Zuge der Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmt, per "Gesetz über Einziehung von Produkten entarteter Kunst" vom 31. Mai 1938 entschädigungslos zugunsten des Deutschen Reiches enteignet und vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda in Berlin zum Verkauf angeboten. Theodor Fischer wählt "Amaryllis" mit weiteren rund 120 Werken aus dem Depot Schloss Schönhausen aus, um sie mit der legendär gewordenen Auktion "Gemälde und Plastiken moderner Meister aus deutschen Museen" am 30. Juni 1939 in Luzern zu versteigern. Dieses bezaubernde Stillleben fand keinen Käufer und wird im Nachverkauf von dem Privatsekretär Ernst Barlachs, dem Kunsthändler Bernhard A. Böhmer in Güstrow, erworben. Wohl ab 1943 lässt sich die "Amaryllis" in der Sammlung des Hamburgers Edgar Horstmann nachweisen. Böhmer lernt Horstmann kennen, als er und seine Familie 1943 nach Güstrow evakuiert werden. Durch Böhmer wird der am Bauhaus ausgebildete Architekt zum Sammeln inspiriert; nach dem Ende der Diktatur kehrt er nach Hamburg zurück und beginnt neben seiner Tätigkeit als Architekt mit dem Handeln von Kunst, unter anderem aus dem Nachlass von Böhmer, der sich im Mai 1945 das Leben nimmt. 1978 gelingt es Hermann Gerlinger, dieses ausnehmend schöne Stillleben in seine Sammlung zu integrieren. [MvL]
Stillleben-Malerei ist eine der Bildgattungen, die nicht nur Heckel, sondern auch der Kreis der "Brücke"-Künstler als besondere Übung pflegt. Nicht nur das Arrangement entscheidet über die Wirkung, sondern auch die Objekte, die in memoriam der niederländischen Schilderkunst ehedem besondere Begegnungen erfahren. Mit diesem Stillleben malt Heckel eine Hommage an die Amaryllis, stellt sie besonders heraus und verzichtet bis auf die Andeutung des Ambientes auf weitere Ausstattung.
Zurück aus Flandern erwirbt Heckel einen Kotten in Osterholz und beginnt in der Abgeschiedenheit, sich neu zu orientieren, die neuen gesellschaftlichen Werte auf sich wirken zu lassen. Im neuen Domizil richtet sich der Künstler im Dachstuhl ein Atelier ein und malt es aus, besinnt sich zurück auf die Tradition der "Brücke"-Maler, die ihre Räumlichkeiten mit selbst geschaffenen Dekorationen ausgestaltet hatten.
Und so beginnt Heckel auch mit dem Erwerb 1919, die Motive seiner (Blumen-)Stillleben wie vor dem Ersten Weltkrieg zur "Brücke"-Zeit mit Beiwerk, wie eigene Skulpturen oder andere Objekte, zu bereichern. In diesem Fall, 1927, stellt Heckel die Vase mit der vollen Blüte auf einen Tisch in seinem Atelier, der ebenfalls bemalt zu sein scheint. Der Raum wirkt nicht tief, der Hintergrund mit den Wandmalereien mit Ornamenten und einem liegenden Mann mit Schnurrbart im Umriss ist stark an den Tisch gerückt. Dieses Motiv begegnet uns bereits in dem ersten Selbstporträt 1919 (Abb.), in dessen Hintergrund die Szenerie, die auch den Hintergrund für das Stillleben hergibt, zum ersten Mal bildhaft Erwähnung findet.
Auf magische Weise von rechts eingeblendet, zieht der schnurrbärtige Kopf den Blick sogleich auf sich und beginnt damit ein Eigenleben zu führen. Mit subtilen Mitteln unterstreicht Heckel mit der Figur eine immanente Dynamik, die so gar nichts mit den opulenten Blumentrichtern zu tun hat, aber über den melancholischen Blick der Figur in den Raum das Besondere an diesem Stillleben betont. Heckel versteht es, die Dynamik der Figur durch die Anordnung und Bewegung der Blütenköpfe aufzunehmen. Der von Heckel inszenierte Blick nach links in eine Zimmerecke, verschiedene rotgefärbte Flächen und Ebenen sind in die Raumtiefe gestaffelt, durch die Perspektive sind deutliche Bewegungsakzente gesetzt; das auf die Wand gemalte Ornament mit dem auf die Wand gemalten bärtigen Kopf unterstützt gleichsam die Wirkung: Die Blüten der Amaryllis werden auf geheimnisvolle Weise lebendig in einem sonst so ruhigen, unaufgeregt dekorierten Raum.
Die Geschichte des Stilllebens mit Amaryllis ist beeindruckend wie bewegend. Bereits im Jahr seiner Entstehung zeigt die Galerie von Ferdinand Möller das Gemälde in der Eröffnungsausstellung der neuen Räume am Schöneberger Ufer 38 in Berlin. 1929 erwirbt Carl Georg Heise, der Moderne zugewandter Direktor am Museum Behnhaus und Freund des Künstlers, das Werk für sein Museum in Lübeck. Keine zehn Jahre später wird das Stillleben im Zuge der Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmt, per "Gesetz über Einziehung von Produkten entarteter Kunst" vom 31. Mai 1938 entschädigungslos zugunsten des Deutschen Reiches enteignet und vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda in Berlin zum Verkauf angeboten. Theodor Fischer wählt "Amaryllis" mit weiteren rund 120 Werken aus dem Depot Schloss Schönhausen aus, um sie mit der legendär gewordenen Auktion "Gemälde und Plastiken moderner Meister aus deutschen Museen" am 30. Juni 1939 in Luzern zu versteigern. Dieses bezaubernde Stillleben fand keinen Käufer und wird im Nachverkauf von dem Privatsekretär Ernst Barlachs, dem Kunsthändler Bernhard A. Böhmer in Güstrow, erworben. Wohl ab 1943 lässt sich die "Amaryllis" in der Sammlung des Hamburgers Edgar Horstmann nachweisen. Böhmer lernt Horstmann kennen, als er und seine Familie 1943 nach Güstrow evakuiert werden. Durch Böhmer wird der am Bauhaus ausgebildete Architekt zum Sammeln inspiriert; nach dem Ende der Diktatur kehrt er nach Hamburg zurück und beginnt neben seiner Tätigkeit als Architekt mit dem Handeln von Kunst, unter anderem aus dem Nachlass von Böhmer, der sich im Mai 1945 das Leben nimmt. 1978 gelingt es Hermann Gerlinger, dieses ausnehmend schöne Stillleben in seine Sammlung zu integrieren. [MvL]
395
Erich Heckel
Amaryllis, 1927.
Öl auf rot gestreifter Leinwand
Schätzung:
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