303
Carl Spitzweg
Der Postbote, Um 1860.
Öl auf Holz
Schätzung:
€ 280.000 Ergebnis:
€ 355.600 (inklusive Aufgeld)
Der Postbote. Um 1860.
Öl auf Holz.
Links unten mit der Signaturparaphe. 27,2 x 20,8 cm (10,7 x 8,1 in).
• Romantisches Motiv: Briefe und heimliche Botschaften sind von zentraler Bedeutung in Spitzwegs Œuvre, selbst unaufhörlicher Briefeschreiber und Postreisender
• Inszenatorisch raffinierte, erzählerische Komposition durch die malerischen und bedeutungsvollen Details
• Spitzwegs Bildwelten zeigen seine Meisterschaft in Architekturdarstellung und Raumwirkung
• Besondere Version aus der Reihe der Postboten mit Ausblick in Spitzwegs geliebtes Himmelblau.
Wir danken Herrn Detlef Rosenberger, der das Werk im Original begutachtet hat, für die freundliche Auskunft.
PROVENIENZ: Privatsammlung (seit 1926 in Familienbesitz).
Privatsammlung Baden-Württemberg.
LITERATUR: Sotheby's, London, 19th Century European Paintings, including German, Austrian and Central European Paintings, and The Scandinavian Sale, 31.6.2006, Los 31 (m. Abb.).
Öl auf Holz.
Links unten mit der Signaturparaphe. 27,2 x 20,8 cm (10,7 x 8,1 in).
• Romantisches Motiv: Briefe und heimliche Botschaften sind von zentraler Bedeutung in Spitzwegs Œuvre, selbst unaufhörlicher Briefeschreiber und Postreisender
• Inszenatorisch raffinierte, erzählerische Komposition durch die malerischen und bedeutungsvollen Details
• Spitzwegs Bildwelten zeigen seine Meisterschaft in Architekturdarstellung und Raumwirkung
• Besondere Version aus der Reihe der Postboten mit Ausblick in Spitzwegs geliebtes Himmelblau.
Wir danken Herrn Detlef Rosenberger, der das Werk im Original begutachtet hat, für die freundliche Auskunft.
PROVENIENZ: Privatsammlung (seit 1926 in Familienbesitz).
Privatsammlung Baden-Württemberg.
LITERATUR: Sotheby's, London, 19th Century European Paintings, including German, Austrian and Central European Paintings, and The Scandinavian Sale, 31.6.2006, Los 31 (m. Abb.).
Im Skizzenbuch von 1858 formuliert Spitzweg gedanklich die Bilderzählung, die er anschließend in unterschiedlichen Versionen ausführt: „Einfahrt eines Postwagens in ein kleines Städtchen … lauter Mädels die nur aus den Fenstern schauen oder anders …“ (zit. n. Wichmann 2002, S. 269). Von der Figur des Postbotens, mit Paket unterm Arm und dem Brief in der erhobenen Hand skizziert er in großer Detailfreude und bereits im Hinblick auf die Verwendung in Gemälden als Rückenansicht, vor der man sich die Szene mit den erwartungsfrohen Empfängerinnen bereits vorstellen kann. Nach einem Vermerk in einem um 1860 geschriebenen Brief bereitet er von diesem Thema auch mehrere Skizzen vor. Die Szene arrangiert er in unterschiedlichen Variationen mit den wesentlichen Elementen: im Vordergrund der junge Bote in der blau leuchtenden modischen Uniform, der den Brief zur Übergabe bereit hält. Die Mädchen und Damen stehen bereits an den Fenstern und Türen, neugierig und voller Vorfreude erhofft sich die ein oder andere vielleicht einen neuen Sommerhut, den das runde, an eine Hutschachtel erinnernde Paket verheißt, oder einen Gruß aus der Hand des Geliebten. Welche mag wohl die Auserwählte des Postboten sein, der die Aufmerksamkeit sicherlich auch zu genießen weiß? Die Hutschachtel könnte dabei an die beiden sich von links der Treppe annähernden feinen Damen gehen, der Liebesbrief vermutlich an die junge Frau in dem mit Rosen und Turteltäubchen versehenen Erker. Nicht ohne Ironie verpasst Spitzweg in dieser Version dem Postboten eine Krücke, vielleicht auf eine frühere Kriegsverwundung hinweisend, oder als Seitenhieb auf die Langsamkeit der Postzustellung.
Wie auf einer Bühne arrangiert Spitzweg die Szene in dem kleinen Städtchen. Auch hier ist der zentrale Ort des Geschehens ein kleiner Platz mit Brunnen, von dem aus der Blick in die enge Gasse in die Tiefe führt, dahinter hellblau leuchtenden der typisch Spitzweg’sche Sommerhimmel. Den kleinen Bildraum verschachtelt Spitzweg kunstvoll mit den in- und aneinandergebauten Häusern. Die Landflucht hatte zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Menschen in die Städte gebracht und so wohnen sie nun wohlgeschichtet übereinander mit engen Türen, aufgestockten Fenstern, Balustraden und Erkern eng beisammen. Fenster-Ein- und Ausblicke bereichern das alltägliche enge Miteinander, auch Spitzweg beobachtet aus dem Fenster seiner Münchner Wohnung hinaus das reiche Unterhaltungsrepertoire.
Der in den Sommermonaten dauerhaft auf Reisen umherschweifende Spitzweg führt zeichnerisch Buch über seine Entdeckungen und zeichnet im süddeutschen und Tiroler-Raum in Memmingen, Bad Tölz, Augsburg, Innsbruck und Bozen. Oftmals positioniert er sich dabei auf dem Marktplatz, dem Zentrum der Städtchen vor Kirche oder Rathaus, auf dem die Bewohner zusammentreffen. Das Gewirr der Fassaden, Giebel, Treppen und Fenster einer über Jahrhunderte einigermaßen willkürlich und ungeplant zusammengewachsenen Architektur scheint ihn dabei künstlerisch besonders zu interessieren. In den Architekturen seiner Werke verschmelzen ebenso die verschiedensten Stile und Epochen, mittelalterliche niedrige Häuschen, aus denen Schornsteine, Dachgauben und Torbogen wachsen, ducken sich neben wuchtigen barocken Türmen und geschwungenen Giebeln. Hieraus ergeben sich helle und dunkle Winkel, Schattenwürfe und hell erleuchtete Partien, die den Gebäuden ihre Lebendigkeit verleihen.
Das Private ist besonders in der Kunst der Romantik und des Biedermeier von ungeheurem Interesse. In dieser Szene verschmelzen das Private und das Öffentliche und werden sicherlich Anlass zu Gesprächen unter den jungen Mädchen geben. Spitzwegs Bilder sind oft „Fensterreportagen“, in denen die Individualisierung und Innenschau des Biedermeier, die Beobachtung und der Austausch über die Gefühlswelt und das menschliche Miteinander zum zentralen Thema werden. Gerade der schriftliche Austausch in Briefform, in dem nicht nur die Damenwelt tiefen Einblick in ihre Gemütsregungen gibt und das Alltägliche in Erzählung und Beschreibung zelebriert, nimmt eine bedeutsame Rolle ein. Gerade die Heimlichkeit der versiegelten Schreiben, die die Neugier und das Wissen um Beziehungen umso mehr anstacheln, bieten der Fantasie großen Spielraum. Wiederholte Male macht Spitzweg darüber hinaus auch die von Hindernissen wie wachsamen Anstandsdamen erschwerte Briefübergabe zum Thema, die zu so kuriosen Szenen führt wie in „Der abgefangene Liebesbrief“ von 1855-60 (Museum Georg Schäfer, Schweinfurt), in der der junge Galan den Brief über zwei Stockwerke abseilt. Da ist die Übergabe mit der Post zwar sicherer, allerdings auch von mehr Aufmerksamkeit begleitet und weniger romantisch.
Neben den Wanderungen zu Fuß ist Spitzwegs meistgenutztes Transportmittel die Postkutsche, die ihn quer durchs Land in die entlegensten Winkel bringt. Ihre Ankunft, die Reisende, Pakete und Briefe mit sich bringt und stets für einiges Aufsehen sorgt, erlebt er aus nächster Nähe mit. Die Aufgeregtheit dieses Ereignisses hält er neben den subtileren Postboten-Szenen ebenfalls einige Male fest. Gerade diese Reisen, die so exemplarisch für Spitzwegs kommunikative, erzählerische Art der Malerei, über die er sich seinerseits in unzähligen, beinahe täglichen Briefen an Familie und Freunde mitteilt. Alltägliche Beobachtungen, Gemütszustände, Berichte über das Wetter, Belangloses und Amüsantes lassen so den Austausch niemals abreißen. Seine Mitmenschen bieten ihm dabei die beste Unterhaltung: „Hab eine gar lustige Gesellschaft in den Kutschen gefunden, die bis gen Wasserburg auf das Ergötzlichste geplaudert, also dass ich gar nicht das Mail aufthuen zu brauchen.“ (Spitzweg an seinen Bruder Eduard, 1. September 1839, zit. n. Wichmann 2002, S. 26). Das beständige Unterwegs-sein stellt für seine Korrespondenz kein Hindernis dar: „Glücklich hier angekommen beeile mich Dich zu grüßen. Ich wohne neben der Post privat. In meinem Zimmer stehen 2 Betten, so dass wenn Du allenfalls einmal kommen wolltest Du auch gleich da wohnen könntest. - Wie geht’s Dir? Was macht die Nani? der Eugen u. Otto? Lass mich nicht lange warten, und schreib mir auf ein Fleckerl ein etwas, nur nichts Schlimmes.“ (Spitzweg an seinen Bruder Eduard, aus Partenkirchen, August 1844, zit. n. Wichmann 2002, S. 27). Ließen dessen Briefe auf sich warten, konnte es schon einmal zu Beschwerden kommen: „Ich hab mich erkundigt und doch keine Briefe erhalten – Herr Bruder Sie sind ein stinkfaules Luder! Gottlob, wenn Dich sonst nichts abhält als Deine Faulheit, mir zu schreiben – dann bin ich schon wieder zufrieden.“ (Spitzweg an seinen Bruder Eduard, Verona 8. Juli 1832, zit. n. Wichmann 2002, S. 23). Das Warten auf Nachrichten von den Lieben, Freunden und Verwandten und die erlösende Freude beim Auftauchen des Postboten scheint Spitzweg also natürlich auch am eigenen Leib erfahren zu haben. [KT]
Wie auf einer Bühne arrangiert Spitzweg die Szene in dem kleinen Städtchen. Auch hier ist der zentrale Ort des Geschehens ein kleiner Platz mit Brunnen, von dem aus der Blick in die enge Gasse in die Tiefe führt, dahinter hellblau leuchtenden der typisch Spitzweg’sche Sommerhimmel. Den kleinen Bildraum verschachtelt Spitzweg kunstvoll mit den in- und aneinandergebauten Häusern. Die Landflucht hatte zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Menschen in die Städte gebracht und so wohnen sie nun wohlgeschichtet übereinander mit engen Türen, aufgestockten Fenstern, Balustraden und Erkern eng beisammen. Fenster-Ein- und Ausblicke bereichern das alltägliche enge Miteinander, auch Spitzweg beobachtet aus dem Fenster seiner Münchner Wohnung hinaus das reiche Unterhaltungsrepertoire.
Der in den Sommermonaten dauerhaft auf Reisen umherschweifende Spitzweg führt zeichnerisch Buch über seine Entdeckungen und zeichnet im süddeutschen und Tiroler-Raum in Memmingen, Bad Tölz, Augsburg, Innsbruck und Bozen. Oftmals positioniert er sich dabei auf dem Marktplatz, dem Zentrum der Städtchen vor Kirche oder Rathaus, auf dem die Bewohner zusammentreffen. Das Gewirr der Fassaden, Giebel, Treppen und Fenster einer über Jahrhunderte einigermaßen willkürlich und ungeplant zusammengewachsenen Architektur scheint ihn dabei künstlerisch besonders zu interessieren. In den Architekturen seiner Werke verschmelzen ebenso die verschiedensten Stile und Epochen, mittelalterliche niedrige Häuschen, aus denen Schornsteine, Dachgauben und Torbogen wachsen, ducken sich neben wuchtigen barocken Türmen und geschwungenen Giebeln. Hieraus ergeben sich helle und dunkle Winkel, Schattenwürfe und hell erleuchtete Partien, die den Gebäuden ihre Lebendigkeit verleihen.
Das Private ist besonders in der Kunst der Romantik und des Biedermeier von ungeheurem Interesse. In dieser Szene verschmelzen das Private und das Öffentliche und werden sicherlich Anlass zu Gesprächen unter den jungen Mädchen geben. Spitzwegs Bilder sind oft „Fensterreportagen“, in denen die Individualisierung und Innenschau des Biedermeier, die Beobachtung und der Austausch über die Gefühlswelt und das menschliche Miteinander zum zentralen Thema werden. Gerade der schriftliche Austausch in Briefform, in dem nicht nur die Damenwelt tiefen Einblick in ihre Gemütsregungen gibt und das Alltägliche in Erzählung und Beschreibung zelebriert, nimmt eine bedeutsame Rolle ein. Gerade die Heimlichkeit der versiegelten Schreiben, die die Neugier und das Wissen um Beziehungen umso mehr anstacheln, bieten der Fantasie großen Spielraum. Wiederholte Male macht Spitzweg darüber hinaus auch die von Hindernissen wie wachsamen Anstandsdamen erschwerte Briefübergabe zum Thema, die zu so kuriosen Szenen führt wie in „Der abgefangene Liebesbrief“ von 1855-60 (Museum Georg Schäfer, Schweinfurt), in der der junge Galan den Brief über zwei Stockwerke abseilt. Da ist die Übergabe mit der Post zwar sicherer, allerdings auch von mehr Aufmerksamkeit begleitet und weniger romantisch.
Neben den Wanderungen zu Fuß ist Spitzwegs meistgenutztes Transportmittel die Postkutsche, die ihn quer durchs Land in die entlegensten Winkel bringt. Ihre Ankunft, die Reisende, Pakete und Briefe mit sich bringt und stets für einiges Aufsehen sorgt, erlebt er aus nächster Nähe mit. Die Aufgeregtheit dieses Ereignisses hält er neben den subtileren Postboten-Szenen ebenfalls einige Male fest. Gerade diese Reisen, die so exemplarisch für Spitzwegs kommunikative, erzählerische Art der Malerei, über die er sich seinerseits in unzähligen, beinahe täglichen Briefen an Familie und Freunde mitteilt. Alltägliche Beobachtungen, Gemütszustände, Berichte über das Wetter, Belangloses und Amüsantes lassen so den Austausch niemals abreißen. Seine Mitmenschen bieten ihm dabei die beste Unterhaltung: „Hab eine gar lustige Gesellschaft in den Kutschen gefunden, die bis gen Wasserburg auf das Ergötzlichste geplaudert, also dass ich gar nicht das Mail aufthuen zu brauchen.“ (Spitzweg an seinen Bruder Eduard, 1. September 1839, zit. n. Wichmann 2002, S. 26). Das beständige Unterwegs-sein stellt für seine Korrespondenz kein Hindernis dar: „Glücklich hier angekommen beeile mich Dich zu grüßen. Ich wohne neben der Post privat. In meinem Zimmer stehen 2 Betten, so dass wenn Du allenfalls einmal kommen wolltest Du auch gleich da wohnen könntest. - Wie geht’s Dir? Was macht die Nani? der Eugen u. Otto? Lass mich nicht lange warten, und schreib mir auf ein Fleckerl ein etwas, nur nichts Schlimmes.“ (Spitzweg an seinen Bruder Eduard, aus Partenkirchen, August 1844, zit. n. Wichmann 2002, S. 27). Ließen dessen Briefe auf sich warten, konnte es schon einmal zu Beschwerden kommen: „Ich hab mich erkundigt und doch keine Briefe erhalten – Herr Bruder Sie sind ein stinkfaules Luder! Gottlob, wenn Dich sonst nichts abhält als Deine Faulheit, mir zu schreiben – dann bin ich schon wieder zufrieden.“ (Spitzweg an seinen Bruder Eduard, Verona 8. Juli 1832, zit. n. Wichmann 2002, S. 23). Das Warten auf Nachrichten von den Lieben, Freunden und Verwandten und die erlösende Freude beim Auftauchen des Postboten scheint Spitzweg also natürlich auch am eigenen Leib erfahren zu haben. [KT]
303
Carl Spitzweg
Der Postbote, Um 1860.
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