Auktion: 527 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 11.06.2022 in München Lot 319


319
Johann Sperl
Frühlingslandschaft, Um 1880.
Öl auf Holz
Schätzung:
€ 4.000
Ergebnis:
€ 8.750

(inklusive Aufgeld)
Frühlingslandschaft. Um 1880.
Öl auf Holz.
Moritz 78. Verso mit verschiedenen handschriftlichen Nummerierungen. 36 x 15,5 cm (14,1 x 6,1 in).

PROVENIENZ: Sammlung Sigmund Waldes, Dresden (bis 1939/1941).
Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten Dresden ("Sicherstellung" aus dem Eigentum des Vorgenannten, 1939-1941).
Deutsches Reich (durch Übernahme vom Vorgenannten, bis 1943: Hans W. Lange, 16./17.4.1943).
NSDAP, Parteikanzlei München (1943 für Reichsleiter Martin Bormann über Maria Almas Dietrich vom Vorgenannten erworben: Hans W. Lange, 16./17.4.1943. Verso mit der Inventarnr. J 1467 sowie der Nummer B 444/V).
Altaussee, Depot (im CCP vergebene Zugangsnummer Altaussee: 7013).
Central Collecting Point, München (25.10.1945-10.6.1949, verso mit der München-Nr. 12115).
Ministerpräsident Bayern (treuhänderische Verwahrung 1949-1952).
Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland (treuhänderische Verwahrung, 1952-1956).
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München (1956 vom Vorgenannten an den Freistaat Bayern übereignet bis 2021).
Restitution der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen an die Erben nach Sigmund Waldes (2021).
Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen.

LITERATUR: Hans W. Lange, Berlin, Verschiedener deutscher Kunstbesitz. Gemälde alter und neuerer Meister; Möbel, Tapisserien, Golddosen, Auktion 16./17.4.1943, Los 226.
Wolfgang Johannes Bekh, Die Münchner Maler. Von Jan Pollak bis Franz Marc, Pfaffenhofen 1978, S. 228.
Bayerische Staatsgemäldesammlungen / Neue Pinakothek (Hrsg.), Deutsche Künstler von Marées bis Slevogt, Bd. 3: Sailer – Zumbusch, München 2003, S. 100.
Nadine Bauer, Kunstlieferantin des "Dritten Reichs". Umkreis und Wirkungsradius von Maria Dietrich, Diss. TU Berlin, Berlin 2021, S. 340.

1865 tritt Johann Sperl in die Akademie in München ein, wo er seine Studien in der Meisterklasse des renommierten Historienmalers Karl Theodor von Piloty abschließt. Er widmet sich anschließend vor allem ländlichen Darstellungen des Volkslebens, bis mit der Bekanntschaft Wilhelm Leibls und Max Liebermanns die Landschaft zusehends in sein Interesse rückt. In den Sommermonaten findet sich der sogenannte Leibl-Kreis in den Ortschaften im Münchner Süden zusammen, 1871 in Bernried am Starnberger See, einige Zeit später in Unterschondorf am Ammersee. Mit Leibl hält Sperl sich wiederholte Male im bayerischen Oberland auf, wobei in engster Zusammenarbeit während des Sommers in Bad Aibling 1888 sogar gemeinschaftliche Werke entstehen. Sein Interesse für das einfache Landleben vervollständigt Sperl mit frühlingshaften oder sommerlichen Motiven der Bauernhäuser sowie blühenden Obst- und Blumengärten, die eine harmonische Üppigkeit und friedvolle Ursprünglichkeit ausdrücken. In seinen frühen, noch von der Genremalerei geprägten Szenen fügt er oftmals ein anekdotisch-erzählerisches Moment ein, wie hier mit den spazierenden Mädchen, eines beschwingt voranschreitend, das andere, ängstlich vor den Gänsen zurückweichend, an die Mutter geschmiegt.
Sperls reizende Frühlingsszene hat eine bewegte Geschichte. Das Gemälde stammt aus der Sammlung von Sigmund Waldes, der ab 1904 in Dresden für das international erfolgreiche Familienunternehmen "Waldes & Co", eine Metallwarenfabrik, tätig ist. 1916 bezieht der Sammler mit seiner Familie eine Villa in der Dresdner Kaitzer Straße, die mit hochwertigen Kunstankäufen opulent ausgestattet wird. Auch Sperls Gemälde zählt dazu.
Sigmund Waldes ist jüdischer Herkunft. Die Verfolgung durch die Nationalsozialisten trifft die Familie mit ganzer Härte. 1938 bleibt nur die Flucht, eine Odyssee, die im Sommer 1939 in New York endet. Seine Kunstsammlung muss Waldes zurücklassen. Sie wird von den Nationalsozialisten "sichergestellt", und Waldes wird gezwungen, dem Verfall seines Vermögens an das Deutsche Reich zuzustimmen. Das Reichswirtschaftsministerium beauftragt schließlich die "Verwertung" der Kunstwerke, die 1943 über das Auktionshaus Hans W. Lange erfolgt. Hier wiederum erwirbt die Kunsthändlerin Maria Almas Dietrich Sperls Gemälde für die NSDAP-Parteikanzlei.
Als das Gemälde nach Kriegsende im Münchner Central Collecting Point sichergestellt wird, erfolgt keine Restitution. Es gelingt nicht, die Herkunftssammlung zu ermitteln. So gelangt das Gemälde 1956 als Eigentumsübertragung in die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, wo es fortan in der Neuen Pinakothek zu sehen ist. Erst 2021 wird Sperls "Frühlingslandschaft" aus Museumsbesitz an die Erben von Sigmund Waldes restituiert. [KT/AT]



319
Johann Sperl
Frühlingslandschaft, Um 1880.
Öl auf Holz
Schätzung:
€ 4.000
Ergebnis:
€ 8.750

(inklusive Aufgeld)